Erstmals voller Ersatz für Amis-Opfer
Wien. Erstmals bekommt ein durch den Wertpapierdienstleister Amis geschädigter Anleger seinen Schaden in voller Höhe ersetzt. Amis ist 2005 in den Konkurs geschlittert, zwei Vorstände sind wegen Betrugs verurteilt worden. Der Oberste Gerichtshof (OGH) bestätigte, dass die Republik ihrer Aufsichtspflicht nicht ausreichend nachgekommen war. Und trotzdem wurde mit Ausnahme jener – allerdings zahlreichen – Geschädigten, die einen Vergleich mit der Republik abgeschlossen haben, bisher niemand entschädigt.
Anders als die im Vergleichsweg abgefundene große Mehrheit – etwa 85% der Geschädigten haben insgesamt knapp 36 Mio. Euro von der Republik erhalten – muss sich der erste nun erfolgreiche Kläger nicht bloß mit einer Quote seines Schadens begnügen: Die Anlegerentschädigung von Wertpapierfirmen GmbH (AeW) muss ihm den Schaden samt Zinsen und Verfahrenskosten voll ersetzen, entschied der OGH (2 Ob 171/12d). Das Verfahren ist ein Musterprozess für rund 2000 noch offene Fälle.
Der Mann hatte im Rahmen eines Amis-Generationsplans einmalig 21.803 Euro angelegt. Ein Teil floss noch vor dem Amis-Konkurs zurück, eine weitere Rückzahlung erhielt der Anleger im Zuge der Liquidation luxemburgischer Fonds, bei denen Amis das Vermögen seiner Kunden veranlagt hatte. Wegen des noch offenen Rests von rund 11.000 Euro klagte der Salzburger, vertreten durch Anwalt Eugen Salpius, die AeW. Diese haftet für Schäden bis 20.000 Euro.
Obwohl der OGH schon 2010 bestätigte, dass die AeW gegenüber den Amis-Geschädigten dem Grunde nach haftet, hielt die Entschädigungseinrichtung Zahlungen zurück. Sie argumentierte, dass Unterlagen über die genaue Höhe der Schäden fehlten, dass offen sei, wie viel noch aus Luxemburg kommen werde, und dass ihr Vermögen nicht ausreiche, alle Forderungen in vollem Ausmaß zu befriedigen.
Schon schien sich eine Pleite der AeW abzuzeichnen. Das veranlasste sogar den Gesetzgeber zu handeln: Er verfügte, dass die AeW Entschädigungsbeträge nur treuhänderisch halte und so zwar ein Topf geleert, aber deshalb noch lange nicht die Existenz der AeW infrage gestellt werden könnte. Trotzdem dauerte der Streit um die tatsächlich zu leistenden Entschädigungen an. Nicht alle gaben sich mit dem Vergleichsangebot der Republik zufrieden: Sie bot unter der Annahme, dass 70 Prozent der Schäden aus Luxemburg zu holen sein würden, 27% an. Salpius hält das Angebot für ungünstig: Er beruft sich auf Angaben aus Luxemburg, wonach von dort maximal 40 bis 45% zu erwarten seien.
Wer zuerst kommt, mahlt zuerst
Der OGH hat nun klargestellt: Abgesehen davon, dass die beklagte AeW Zeit genug gehabt habe, den erhobenen Anspruch zu überprüfen, und dieser damit fällig geworden sei, könne die Entschädigungseinrichtung den Kläger auch nicht nach Luxemburg verweisen. Sein Anspruch nach dem Wertpapieraufsichtsgesetz bestehe unabhängig von möglichen Ansprüchen gegen Luxemburger Fonds, die im Übrigen kraft Gesetzes auf die AeW übergehen.
Und: Die Beklagte müsse Entschädigungen in voller Höhe leisten, solange Geld im Treuhandvermögen sei (3,3 Mio. Euro). Wer zuerst kommt, mahlt also zuerst. Immerhin, so erwähnt der OGH, können die AeW-Mitgliedsinstitute ja weitere Beiträge leisten oder die AeW Darlehen aufnehmen oder Schuldverschreibungen ausgeben.