FORMAT: Constantia-Erbin wird Petrikovics klagen. Über die dramatischen Ereignisse kursieren zwei Versionen. Die eine besagt, erst die Drohung der Beamten, ihn sonst mitnehmen zu können, habe Karl Petrikovics bewogen, den Protest gegen die Durchsuchung seines privaten Domizils aufzugeben.
Petrikovics selbst versichert hingegen: "Ich habe voll kooperiert." Tatsache ist: Ein Trupp von Wirtschaftspolizisten schleppte am25. November zuhauf Aktenordner aus der Villa in einer noblen Wohngegend in Wien-Hietzing. Ein Großaufgebot von drei Dutzend Fahndern durchstöbertegleichzeitig Büros der Constantia Privatbank und der Immofinanz samt TochterImmoeast. Chef aller drei Gesellschaften war bis vor kurzem Karl Petrikovics.
Die richterliche Anordnung für die Razzia, die dem Banker, der jahrelang alseiner der Super-Manager Österreichs galt, unter die Nase gehalten wurde, enthält schwerwiegende strafrechtliche Vorwürfe.
Ein Auszug:
1. Verdacht des Betruges an Anlegern im Zusammenhang mitKapitalerhöhungen
2. Verdacht der Untreue zum Nachteil von Immofinanz und Immoeast durch Neuabschluss von Managementverträgen
im Juli 2007
3. Verdacht der Verletzung der Prospektpflicht
4. Verdacht nach § 255 AktG. (Bilanzmanipulation)
5. Verdacht nach § 48b BörseG. (Missbrauch einer Insiderinformation)
Über die dubiosen und teilweise noch immer nicht ganz durchsichtigen Geldflüsse, die den zuständigen Staatsanwalt Norbert Haslhofer zu diesem Paukenschlag veranlassten, hat FORMAT laufend berichtet. Jetzt stehtPetrikovics endgültig im Zentrum eines Skandals, gegen den die Meinl-Affärefast schon verblasst. Namentlich beschuldigt werden noch Ex-Immoeast-Finanzvorstand Christian Thornton, ebenfalls Ziel der Razzia, und der Wiener Universitätsprofessor Christian Nowotny, früher Aufsichtsratder Immofinanz Beteiligungs AG (IBAG), sowie andere ehemalige Mitarbeiterder Constantia Privatbank (CPB). Für alle gilt die Unschuldsvermutung.
Ordnerweise Unterlagen
Petrikovics weist FORMAT gegenüber die Anschuldigungen des Betrugs und der Untreue strikt zurück und betont: "Ich werde alles aufklären können." Bisdato ist ihm das nicht gelungen. Über die persönlichen Einvernahmen vor rund zwei Wochen steht im Durchsuchungsbefehl, dass sie "die Verdachtsmomente keineswegs zufrieden stellend ausräumen konnten". Die Fahnder stellten bei Petrikovics zwar ordnerweise Unterlagen sicher. Dem Vernehmen nach fehlen dennoch wichtige Dokumente, was sich aus den fortlaufenden Aktenzahlenableiten lässt. Über deren Verbleib wisse er nichts, beharrt Petrikovics gegenüber den Ermittlern. Hingegen soll Christian Thornton in den vergangenen Tagen sehr auskunftsfreudig gewesen sein, offenbar um in den Genuss einer Kronzeugenregelung zu kommen.
Verdacht der privaten Bereicherung
Der Tatort Immofinanz könnte einer der unappetitlichsten Fälle der jüngeren Wirtschaftsgeschichte werden. Die Anzeige der Finanzmarktaufsicht (FMA)wegen Bilanzmanipulation ist nur noch ein Nebenschauplatz. Nach dem neuesten Wissensstand sind die FMA-Spürnasen und der Staatsanwalt überzeugt, dass in großem Stil – widerrechtlich – Geld umhergeschoben wurde. Erste Anklagen scheinen nur noch eine Frage der Zeit. Parallel dazu hält sich hartnäckigder Verdacht, dass sich Organe der CPB und der Immofinanz-Gruppe auch privatbereichert haben könnten. Forensik-Spezialisten des Wirtschaftsprüfers PricewaterhouseCoopers (PwC) untersuchen Hunderte Deals.
Aktionärsvertreter bereiten gigantische Sammelklagen vor. Sogar Constantia-Erbin Christine deCastelbajac will gegen ihre einst engsten Vertrauten zu Gericht ziehen. Eine Klage gegen Petrikovics ist schon fix, bestätigt ihr Sprecher. Anwalt Christian Kuhn feilt gerade an der Formulierung. Castelbajac fühlt sich von Petrikovics arglistig getäuscht.
Ein Rückblick
Der Fall im Rückblick: Im Frühjahr 2007 erlöste die Immoeast 2,7 MilliardenEuro aus einer Kapitalerhöhung. 900 Millionen davon flossen in die CPB, von der aus Immofinanz und Immoeast gemanagt wurden. Dazwischengeschaltet wurde die IBAG, die angeblich eine Anleihe begab, welche die Immoeast zeichnete. Für deren Existenz gibt es jedoch keinen Beweis, nur einen von Christian Nowotny erstellten Entwurf. Wahrscheinlich ist, dass dieser nachträglichangefertigt wurde, um den Wirtschaftsprüfer KPMG ruhigzustellen. Eine vom Prüfer verlangte Haftung (für die IBAG) von der Constantia B.V., der Holdingvon Christine de Castelbajac, trägt eine unleserliche Unterschrift, die niemandem zuordenbar ist.
Auffällige Privatgeschäfte
Einer der heikelsten Punkte, dem die laufenden Ermittlungen nachgehen: Haben Organe aus dem Constantia-Immofinanz-Komplex private Immobiliengeschäfte mit den Gesellschaften getätigt? Vermutungen, dass etliche Personen Liegenschaften erwarben und mit Gewinn an die Immofinanz-Gruppe weiterveräußerten, häufen sich. Petrikovics schließt das für sich"hundertprozentig" aus und will auch sonst nie etwas bemerkt haben. Es gibtaber eine Reihe auffälliger Deals. So will Petrikovics nicht sagen, wieso er als Chef der CPB Rudolf Fries auch eine Put-Option für dessen riesiges Entwicklungsprojekt am Wiener Arsenal gegeben hat. Fries hat dieses vor Jahren von der Bundesimmobiliengesellschaft erworben und bekam das Recht eingeräumt, das Arsenal-Projekt für stolze 70 Millionen Euro an die CPBweiterzuverkaufen.
Immofinanzbeteiligungs AG zeigt "Scheintransaktionen" an
Ibag zeigt "Scheintransaktionen" an
Die Immofinanzbeteiligungs AG (Ibag) hat wegen der ominösen Anleihe an die Immoeast eine Sachverhaltsdarstellung eingebracht. Von Tarnen, Täuschen und Scheingeschäften ab 2004 ist die Rede
Wien – Die Ibag (Immofinanz Beteiligungs AG), eine der beiden Drehscheiben-Gesellschaften, über die in der Causa Immofinanz Milliarden für und aus Aktiendeals geflossen sein dürften, hat eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft Wien eingebracht.
Wie berichtet, wehren sich die Organe der Ibag gegen die Darstellung der Immoeast, selbiger aus einer Anleihe noch rund 500 Mio. Euro zu schulden, es habe gar nie eine Anleihe gegeben. Vorstand der Ibag war bis vor kurzem der Wiener Notar Gerhard Pauser; im Aufsichtsrat sitzen Helmut Falschlehner, Christian Nowotny, Johann Bertl und Eduard Lechner.
Sie beschreiben nun ihre Sicht. Demnach habe die Ibag "nie eine operative Geschäftstätigkeit entfaltet", ein einziges Konto bei der Constantia Privatbank (CPB) gehabt, für das Pauser und Christian Thornton (Ex-Immofinanz und -east-Vorstand) gemeinsam zeichnungsberechtigt waren. Der jüngste Jahresabschluss stammt von 2006, Prüfer war Auditor Treuhand. "Die geringe Verwaltungstätigkeit erfolgte durch Mitarbeiter der CPB", eine Vollmacht für Überweisungen oder Rechtsgeschäfte sei der nie erteilt worden. Vier Mal im Jahr tagte der Aufsichtsrat (meist in Anwesenheit von Petrikovics und später Thornton); genehmigungspflichtige Geschäfte habe es nicht gegeben.
"Es besteht Insolvenzgefahr"
Die Zores brachen am 13. Oktober 2008 auf. Da teilte Wirtschaftsprüfer Auditor der Ibag mit, auf "eine Verbindlichkeit gegenüber der Immofinanzgruppe von 872 Mio. Euro" gestoßen zu sein. Gleichzeitig gebe es Forderungen der Ibag gegen Gesellschaften rund um die niederländische Constantia Packaging B.V.". Teile davon wären aber "nicht einbringlich"; sollte die B.V. ihren Töchtern nicht helfen, "besteht Insolvenzgefahr" der Ibag. Dort war nun Feuer am Dach, der Wirtschaftprüfer wurde gebeten, "Fakten zu sammeln".
Zwei Tage später: Not-Aufsichtsratssitzung mit Zwischenbericht der Auditor: Es gäbe "nicht unterschriebene Emissionsbedingungen der Ibag über eine Anleihe von 1,5 Mrd. Euro". Ibag-Chef Pauser, "teilte mit, nie derartige Verträge unterschrieben zu haben, laut Auskunft von Thornton liegen keine unterschriebenen Verträge … vor". Kein Aufsichtratsbeschluss.
Zudem habe der Wirtschaftsprüfer "festgestellt, dass bereits 2006 erhebliche Beträge von Immoeast und Immofinanz auf das Konto der Ibag umgebucht und dann sofort an Gesellschaften im Einflussbereich der Bank weiter gebucht wurden". Durch Rückbuchungen vor dem Stichtag 31. 12. 2006 habe es keinen offenen Saldo gegeben, sodass auch der Wirtschaftsprüfer diese Buchungsvorgänge nicht geprüft und erwähnt habe, heißt es sinngemäß. Ende 2007 entstand "der Negativsaldo". Nach längerer Suche fand sich dafür eine "Saldenbestätigung" von 4. August (minus 512 Mio. Euro); mit Ibag-Stempel – und unterschrieben von einer CPB-Mitarbeiterin.
Bei der Notaufsichtsratssitzung am 4. November habe Thornton mitgeteilt, dass es bereits ab 2004 (da begann er in der CPB) "Buchungen und Rückbuchungen über die Ibag gegeben habe"; bis Ende 2006 konnte "immer glattgestellt werden"; 2007 sei sich das offenbar nicht mehr ausgegangen. Die CPB-Gesellschaften, an die das Geld floss, hätten "vorrangig Anschaffungen in Immofinanz und Immoeast-Aktien getätigt". Laut Thornton sei das über Auftrag von Karl Petrikovics erfolgt.
Fazit: Es bestehe der Verdacht "nicht autorisierter Buchungsvorgänge zur Verdeckung von Geldflüssen", nach den Kursverlusten habe man versucht, mit einer Anleiheemission ein weiteres Tarninstrument zu produzieren." Für die Ibag sei all das eine "rechtlich irrelevante Scheintransaktion". (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29./30.11.2008)