Richtungsweisendes OGH-Urteil hilft geschädigten Anlegern

Versprochen wurden den Kunden Veranlagungen in Gold und Immobilien mit tolle Renditen und wenig Risiko, erhalten haben sie Beteiligungen an „Katzengold“ der deutschen EVVE und offenbar nicht werthaltige Anteile an Fonds der Shetlin AG. Doch die rund 14.000 Geschädigten des insolventen Grazer Vermögensberaters Ertrag & Sicherheit (E&S) können nun neue Hoffnung schöpfen. Sie dürften zumindest einen Teil ihres Schadens, den der Masseverwalter auf bis zu 220 Millionen Euro schätzt, ersetzt bekommen – von der britischen Haftpflichtversicherung der Grazer Finanzvermittler.

Denn der Wiener Prozessfinanzierer AdvoFin um Franz Kallinger hat mit Anwalt Sven Thorstensen vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) ein richtungsweisendes Urteil 1 Ob 208/17w gegen den Masseverwalter der Ertrag & Sicherheit GmbH erstritten. Das Höchstgericht hat in einem Musterprozess einer Anlegerin festgestellt, dass diese über die ihr angedienten Finanzprodukte falsch beraten wurde. Es liegt somit „ein Schadenersatzanspruch bereits mit dem Erwerb der ungewollten Finanzprodukts vor“. Dass es bei der EVVE-Goldveranlagung später zu Malversationen und bei den Immobilienfonds zu einer negativen Kursentwicklung gekommen sein soll, spielt laut OGH keine Rolle.

Massive Beratungsfehler

Im Detail heißt es im OGH-Urteil: „Im konkreten Fall stellte der Mitarbeiter der Beklagten die Anlage in Gold und Silber als ’sicher‘ dar und verwies auf die Möglichkeit jederzeitiger Verfügbarkeit. Er erweckte bei der Klägerin den unzutreffenden Eindruck, er verfüge über besondere Informationen über das Anlageunternehmen. Dadurch entstand für sie der unrichtige Eindruck über das mit der Anlage verbundene Risiko.“ Weiter heißt es: „Die vom Berater versprochene Sicherheit hängt daher in hohem Maß von der Seriosität der für das Anlageunternehmen handelnden Personen ab. Die Klägerin durfte auf dieser Grundlage annehmen, Ertrag & Sicherheit werde nur dann von einer sicheren Anlage (Anm.: EVVE) sprechen, wenn sie auch insofern über objektive Informationen verfügte. (…) Jedenfalls durfte sie die Zusicherung des Beraters so verstehen, dass auch kein Veruntreuungsrisiko bestehe (…)

Geld für kranke Kinder

„Bei richtiger Beratung hätte die Anlegerin die Vermögensveranlagungen nicht gekauft“, stellt der OGH fest. Sie hat 40.000 Euro verloren. Mit diesem Geld wollte sie eigentlich zwei ihrer sechs Kinder absichern, die krank sind. Der Berater, bei dem sie früher Versicherungspolizzen abgeschlossen hatte, pries nur die Gewinnmöglichkeiten, aber verschwieg das hohe Risiko der Veranlagungen. Auch Angaben zu den Vertriebs- und Verwaltungsprovisionen, bei Shetlin-Fonds 18 Prozent, fielen unter den Tisch.

Klagewelle rollt an

Ertrag & Sicherheit soll laut eigenen Angaben zu besten Zeiten rund 2000 Vermittler beschäftigt haben. Allein AdvoFin vertritt Anleger mit 15 Millionen Euro Schaden.

„Die Vermittler selbst klagen wir nicht, weil diese über die Produkte von Ertrag & Sicherheit systematisch falsch geschult wurden“, sagt Kallinger zum KURIER. „Die Haftpflichtversicherung von Ertrag & Sicherheit muss pro Vermittler und pro Jahr einen Schaden in Höhe von 1,6 Millionen Euro decken. Da kommt ordentlich viel zusammen.“

Kid Möchel, (kurier.at) Erstellt am 09.05.2018